Sexueller Zwang in toxischen Beziehungen

Sexueller Zwang ist der Einsatz von subtilem Druck, emotionaler Macht, Erpressung, Drogen oder Alkohol, um sexuellen Kontakt mit jemandem gegen seinen Willen zu erzwingen. Sexueller Druck oder gar Zwang ist eine Form psychischer Gewalt und Misshandlung. Frei nach der Devise: „Und bist Du jetzt nicht willig, so zahle ich es dir heim.“

Die Opfer sind meist Personen, die sich schwer tun, Grenzen zu setzen und ihre Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken. Sie sind oft konfliktscheu, haben ein niedriges Selbstwertgefühl und kämpfen gegen Ängste und Schuldgefühle. So ist es kein Wunder, dass Betroffene einer DPS oder ÄVPS besonders häufig Opfer von sexuellem Zwang werden.

Kulturelle und religiöse Lehren führen dazu, dass einige Menschen Sexualität in einer Beziehung als ein Grundrecht betrachten. Nicht umsonst existiert die Wendung der „ehelichen Pflichten“.

Auch kann das Fehlen von direktem, offenen Zwang Täter wie Opfer im Glauben lassen, es gäbe doch gar keinen Druck. Dabei ist es gerade der subtile Druck, der beim Opfer oft die beste Wirkung zeigt.


Beispiele für sexuellen Zwang: 

  • Emotionaler Druck: Wut, Frustration, schlechte Laune, eisiges Schweigen oder Entzug der Zuneigung, wenn \“Nein\“ gesagt wird.
  • Mitleid hervorrufen, Jammern, Sich selbst abwerten oder mit Traurigkeit oder Verzweiflung reagieren.
  • Nörgeln, Beschimpfen, Einschüchtern und andere Methoden verbaler Misshandlung.
  • Alkohol oder Drogen, einsetzen um Hemmungen zu lösen und Widerstand zu überwinden.
  • Vorwürfe, Unterstellungen und ähnliche Methoden bei denen der Täter vorgibt, über das Innenleben, die Gefühle, die Absichten, die Meinungen des Opfers besser Bescheid zu wissen als dieses selbst.
  • Die sexuelle Leistung, den Körper oder Vorlieben verspotten und das Opfer so möglichst beschämen oder verletzen.
  • Das Entziehen von emotionaler, physischer und finanzieller Unterstützung.
  • Das Bestehen auf Sex, wenn der Partner schläft, müde oder krank ist oder Schmerzen hat.
  • Sex davon abhängig machen, dass die Partnerin bestimmten sexuellen Praktiken zustimmt die sie ablehnt.

Wie sexueller Zwang klingt:

  • „Wenn du mich liebst, würdest du es beweisen.“
  • „Wenn du mir vergeben hättest, würdest du es beweisen.“
  • „Du willst keinen Sex mit mir haben, weil du mich betrügst.“
  • „Wenn du mir nicht gibst, was ich brauche, muss ich es woanders suchen.“
  • „Du bist meine Partnerin du schuldest mir das.“
  • „Es ist so armselig sich mit Sex-Entzug zu rächen.“
  • „Mit dir stimmt doch etwas nicht. Das ist voll nicht normal, wenn man nie Sex will.“
  • „Du hast mich heiss gemacht, jetzt bring es auch zu Ende!“
  • „Du hast damit angefangen und jetzt willst du aufhören?“
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Wie es sich anfühlt:

Wie bei jeder Form von Gewalt in Paarbeziehungen kann dieselbe Person, die im einen Moment gewalttätig, gemein, grausam ist, plötzlich wieder sehr liebevoll und liebenswert sein. Dies muss man bedenken, denn es führt dazu, dass über Gewaltausbrüche seitens des Opfers gerne lange Zeit hinweggesehen wird.

Man möchte so sehr daran glauben, dass die «gute», fürsorgliche, liebenswerte Person die «Echte» ist. Sicher steht der Täter irgendwie «neben sich», wenn er auf Gewalt zurückgreift. Trotzdem sind beide Seiten echt und gewalttätige Übergriffe eben nicht nur «Ausrutscher» sondern Teil eines Gesamtmenschen. Natürlich kann jeder Mensch sich ändern. Dies kann man allerdings nur dann, wenn man die volle Verantwortung für alle Gesichter der eigenen Persönlichkeit übernimmt.

Geschieht dies nicht, entsteht in Paarbeziehungen eine klassische Missbrauchsspirale, in der die Übergriffe in aller Regel im Laufe der Zeit heftiger werden. Von dauerhafter Gewalt Betroffene verlieren fast immer jegliches Selbstwertgefühl. Das geht soweit, dass sie beginnen zu glauben, dass der Missbrauch gegenseitig ist («Bei Konflikten in Beziehung haben immer beide gleich viel Schuld. 50:50!») oder sogar gänzlich davon ausgehen, dass sie eigentlich das Problem sind:

Wir beginnen zu glauben, diese Behandlung verdient zu haben, oder das «Liebe» halt so ist. Wir sind vielleicht tatsächlich zu empfindlich? Vielleicht haben wir die Absichten des geliebten Menschen einfach falsch verstanden? Vielleicht war ja alles nur ein Missverständnis und wir sind einfach zu blöd es zu kapieren? Wir haben ja wirklich absolut keine Lust mehr auf Sex, also ist bei uns etwas kaputt.

Bei sexuellem Zwang wird das Opfer so dazu gebracht, dass eigentlich unvorstellbare zu tun: Das eigene ICH selber gewaltsam zu bezwingen:

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Betroffen von sexuellem Zwang?

Was Du NICHT solltest

  • Glauben, dass Dein Partner ein Recht auf Sex mit dir hat.
  • Glauben, dass «wahre Liebe» bedeutet, jederzeit Lust auf Sex zu haben oder doch zumindest dafür zu Verfügung zu stehen.
  • Zu Alkohol oder Drogen greifen, wenn dies zum Zweck haben könnte, Deinen Widerstand zu brechen.
  • Emotionalem Druck nachgeben. Welches Gefühl auch immer Dein «Nein» in Deinem Gegenüber auslöst, Du trägst nicht die Verantwortung dafür.
  • Lass Dich von niemandem davon überzeugen, dass diese aggressiven Verhaltensweisen akzeptabel sind.
  • Glauben, dass Du Deine Meinung zu einer sexuellen Begegnung nicht an jedem Zeitpunkt ändern darfst. Wer A gesagt hat, muss nicht zwangsläufig B sagen.
  • Immer wieder glauben, der letzte Vorfall sei jetzt der letzte gewesen und das Problem und/oder seine schädlichen Folgen leugnen.
  • Auf Komplimente, Geschenke (dazu kann auch eine Massage gehören), Schmeicheleien hereinfallen, die übertrieben oder unaufrichtig sind.
  • Glauben, dass das Fehlen eines «Neins» automatisch «Ja» bedeutet.
  • Sexpraktiken die du nicht möchtest oder ungeschütztem Geschlechtsverkehr zustimmen.

Betroffen von sexuellem Zwang?

Was Du TUN solltest:

  • Sexuellen Zwang erkennen als das was es ist: sexuell aggressives Verhalten, dass gefährlich und sogar illegal ist.
  • An Deinen Grenzen arbeiten: Diese wahrnehmen und lernen, dass man sie durchsetzen kann, darf und soll.
  • Um Hilfe und Unterstützung bitten. Sei es bei Freunden oder Familienmitgliedern oder bei Hilfsorganisationen oder Therapeuten.
  • Methoden und Skills lernen, mit denen Du Deine Wünsche klar formulieren kannst, ohne dabei selbst verbal oder emotional gewalttätig zu werden.
  • Die Verantwortung dafür übernehmen, dass bei jeder sexuellen Begegnung dein eigenes Wohlbefinden und das Deines Partner gewährleistet ist. Sprich darüber, kommuniziere Grenzen wie Wünsche.
  • Dich physisch schützen! Entferne dich aus Situationen in denen du befürchtest, dass es zu körperlichen Übergriffen kommen könnte und diesen schutzlos ausgeliefert wärst.

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